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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 07.04.2008


Zug der Erinnerung – der Streit geht weiter. Protesterklärung
AVIVA-Redaktion

Berlins Bürgermeister Wowereit hat den Vorstand der Deutschen Bahn AG aufgefordert, die Ausstellung "Zug der Erinnerung" in Berlin angemessen zu unterstützen. Er soll im Hauptbahnhof halten dürfen




Die Bahn hat sich beim Thema "Zug der Erinnerungen" schon einige Patzer geleistet. Angefangen hat alles mit den sogenannten Stundengebühren, als die Deutsche Bahn AG den "Zug der Erinnerung" mit horrenden Gebühren belegte. 3,50 Euro pro Kilometer bzw. 5 Euro pro Abstellstunde auf dem Gleis wurden von der privaten Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung e.V." eingefordert. Die von der Bahn in Rechnung gestellten Kosten belaufen sich damit auf 100.000 Euro. Die Begründung war damals, dass die "Inanspruchnahme der Eisenbahninfrastruktur" immer zu bezahlen sei. Auch die Forderung an Bahnchef Mehdorn, die Gebühren zwar zu verlangen, aber rückwirkend als Spende an die Initiative zu entrichten, wurde abgelehnt. Glücklicherweise fand sich das Bezirksamt und BVV-Spandau dazu bereit, die Kosten für die Ausstellung in Berlin zu übernehmen.

Es folgten weitere Missbilligungen der Deutschen Bahn AG: als der "Zug der Erinnerung" plante, im Hamburger Hauptbahnhof zu halten, versuchte die Bahn die Ausstellung dort zu verhindern. In Köln war das ähnlich. Nur Proteste konnten die Bahn noch zum Einlenken bewegen, so dass die Einfahrt des Zuges genehmigt wurde.

Der Gedenkzug rollt momentan weiter Richtung Berlin, wo die Bahn dem Zug schon die nächsten Steine aufs Gleis legen möchte: Die Stopps auf dem Hauptbahnhof, dem Bahnhof Grunewald und dem Bahnhof Schöneweide sind ernsthaft gefährdet, nicht zugelassen zu werden. Die Begründung der Bahn ist diesmal, dass in Grunewald nur zwei Abstellgleise ohne öffentlichen Zugang bestehen und Sicherheitsbedenken bei einem Halt im Hauptbahnhof hervorgebracht wurden. Der Dampf der Lok würde die Rauchmelder im Hauptbahnhof aktivieren, welche nicht ausgestellt werden können. Die Initiative "Zug der Erinnerung" mit ihrem Vorstandssprecher Hans-Rüdiger Manow sieht jedoch keine technischen Gründe, den Zug nicht in diese Bahnhöfe einfahren zu lassen. Eine Ausweichmöglichkeit besteht darin, die Bundesnetzagentur einzuschalten, da diese die Ausstellung auch ohne Genehmigung der Bahn realisieren könnte.

Nun hat sich auch Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu Wort gemeldet, indem er erklärte, dass das Projekt "jede Form von Unterstützung" verdiene. Im Holocaust seien die Juden Berlins systematisch mit der Eisenbahn in die Vernichtungslager gebracht worden, was die Bahn dazu verpflichte, das Projekt tatkräftig zu unterstützen und die Barrieren aus dem Weg zu räumen. Der Zug der Erinnerung solle einen angemessenen Platz, auch im Hauptbahnhof, erhalten. Beistand erhält Wowereit von der Israelitischen Synagogen-Gemeinde zu Berlin, die ebenfalls an Bahnchef Mehdorn appellierte.

Im Zeitraum von 1941-1945 wurden vom Bahnhof Grunewald aus mehr als 50.000 Berliner Jüdinnen und Juden in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Der erste "Sonderzug" (so der damalige Fachjargon für die Züge, in denen Jüdinnen und Juden aus dem Reich geschafft wurden) verließ am 18.10.1941 den Güterbahnhof Grunewald mit 1251 Menschen. Mit diesem Tage begann die systematische Deportation der jüdischen BerlinerInnen aus der Stadt. Berlin sollte "judenfrei" (so Joseph Goebbels, Gauleiter Berlins und Propagandaminister) gemacht werden. Die "Sonderzüge" fuhren von Oktober 1941 bis März 1945 meist wöchentlich, zeitweise auch täglich Richtung Osten.

Der Zug der Erinnerung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Erinnerung an die über 4600 von der Deutschen Reichsbahn deportierten Kinder, wach zu halten und mit ausgestellten Fotos und Lebenszeugnissen quer durch Deutschland zu reisen. Endhaltestelle soll, wie damals, Auschwitz sein. Doch bevor die Dampflok dort in der Gedenkstätte eintrifft, soll sie vom 13. bis zum 22. April in Berlin stationieren. Geplant waren Stopps in den Bahnhöfen Lichtenberg, Schöneweide, Westhafen, Grunewald und im Hauptbahnhof. Welche davon realisiert werden können, hängt einerseits natürlich von dem Wohlwollen der Deutschen Bahn AG und ihres Vorstandes ab. Andererseits benötigt der Zug der Erinnerung auch Unterstützung von Seiten der Bevölkerung, denn wie frau/man sieht, haben die Proteste in Hamburg schon einmal ein Umdenken bewirkt.

Eine Gegenmaßnahme ist die Protesterklärung des Sprechers des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick Hans Erxleben und Philipp Häuslers, die sich damit beschäftigt, dass der Zug der Erinnerung nicht am Bahnhof Berlin-Schönweide halten darf. Wenn auch Sie zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören wollen, schicken Sie eine Email an: philipp-haeusler@gmx.de

Außerdem wird am 12. April um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung am Brandenburger Tor stattfinden. Im Anschluss wird sich ein Protestzug gen Potsdamer Platz in Gang setzen, um am Bahntower zu halten und so hoffentlich die Deutsche Bahn noch zur Umkehr zu bewegen.

Weitere Informationen zu der Initiative "Zug der Erinnerung" unter:
www.zug-der-erinnerung.eu

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(Quellen: tagesspiegel.de, zug-der-erinnerung.eu, berlin.de)


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Beitrag vom 07.04.2008

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